Mahnmal am Hessen-Rainer-Platz

Traditionsfahnen und Fahnentradition

Rainer Maria Rilke

 

Auf den Stadtverband Schärding sind im Laufe der letzten 150 Jahre 3 Traditionsfahnen übergegangen, die einerseits Erbstücke unserer soldatischen Vorfahren und anderseits Kulturgüter ersten Ranges darstellen. Diese Fahnen haben eine zum Teil sehr bewegte Geschichte hinter sich, die an ihnen nicht spurlos vorüberegegangen ist. Vor allem in der Zeit während des II. Weltkrieges und in der unmittelbar daran anschließenden Besatzungszeit mussten die Fahnen versteckt aufbewahrt werden, um nicht unwiederbringlich verloren zu gehen.

Die Zeit in Verstecken sowie die nicht immer sachgemäße Lagerung und Trocknung der Fahnen nach Ausrückungen hat im Laufe der Jahrzehnte zu einem immer stärker einsetzenden Verfall insbesondere des Stoffes und der prächtigen Stickereien geführt, so dass der Stadtverband sich im Jahre 1999 vor die Entscheidung gestellt sah, diese Kulturgüter entweder einem nicht mehr reparablen weiteren Verfall preiszugeben oder eine Generalsanierung vorzunehmen, deren finanzieller Aufwand der größte im Verlauf der bisherigen Verbandsgeschichte werden sollte.

Als Soldaten blieb uns natürlich keine andere Wahl, als diese Generalsanierung durchzuführen und sämtliche Verbandsaktivitäten diesem Vorhaben nachzuordnen. Keiner der Verantwortlichen wird die feierliche Präsentation der restaurierten Fahnen im August 2000 im großen Saal des Rathauses der Stadt Schärding vergessen, bei der unsere "Feldzeichnen" nach vielen Jahrzehnten in ihrem alten, ihnen behutsam zurückgegebenen Glanz erstrahlten.

 

Vorderseite des goldbestickten Fahnenblattes des Militär-, Veteranen- und Reservistenvereines Schärding

Vorderseite des goldbestickten Fahnenblattes des Militär-, Veteranen- und Reservistenvereines Schärding

 

Dieser Beitrag möchte der Frage nachgehen, warum wir als Soldaten eben keine andere Wahl hatten, als die Fahnen zu bewahren. Woher kommt es, dass die Fahne für die Menschen allgemein und für die Soldaten im besonderen von so großer Bedeutung und Symbolkraft ist?

Die Verwendung von Feldzeichen, gleichsam den Vorläufern der Fahnen, lässt sich bis ins 4. Jahrhundert vor Christus zu den Ägyptern, Babyloniern uns Assyrern zurückverfolgen. So beziehen sich bereits zahlreiche Stellen des alten Testamentes auf die Feldzeichen der Israeliten und ihrer Feinde (e.g. Jes. 62, 10; 4 Mo, 1,52 u.v.a.m.)

Die im römischen Heer gebräuchlichen Feldzeichen (lat. signum) hatten eine zentrage Bedeutung in der militärischen Einheit, symbolisierten sie doch die miliärischen Tugenden und das Kriegsglück. Die Soldaten wurden auf das "signum" vereidigt und das Fahnenheiligtum (lat. sacellum), in dem das Feldzeichen aufbewahrt wurde, hatte fast mystischen Charakter. Bei festlichen Anlässen wurde das "signum" mit Bändern und Girlanden geschmückt und der Verlust des Feldzeichens war das größte Unglück, das einer Truppe wiederfahren konnte, versinnbildlichte dies doch die vollkommene Niederlage.

Deshalb wurden im antiken Rom auch die Feldzeichen der besiegten Gegner dem römischen Volk als Siegesbeweise im Gefolge der Triumphzüge gemeinsam mit den im Kriegszug aufgebrachten Gefangenen geführt. Im Griechischen war für die Benennung des Feldzeichens das Wort "trapaion" gebräuchlich, von dem sich unser Begriff "Trophäe" ableitet; auch dies heute noch ein Ausdruck für ein besonders wertvolles (Beute-) Stück.

Das römische "signum" hatte die Grundform eines Speeres mit einer üppig ausgeformten Lanzespitze, unter der eine Tafel mit dem Namen der Einheit und Metallplatten angebracht waren, die wahrscheinlich Auszeichnungen für die ganze Truppe darstellten. Das "signum" fand seine Weiterentwicklung in einem quer zur Stange angebrachten Tuch, dem sog. "vexillum". Dieses "vexillum" dürfte im lateinischen Westen das Vorbild für die Fahne gewesen sein.

Die Fahne (vom althochdeutschen fano = Tuch) stellte im gesamten indogermanischen Raum ein Identifikationssymbol dar und wurde sowohl im sakralen als auch im profanen Bereich verwendet. In der Antike und im Mittelalter entwickelte sich die Fahne ganz allgemein zu einem militärischen Feldzeichen und mit dem Aufkommen des Wappenwesens im 12. Jahrhundert auch zum Macht- und Schutzsymbol.

Im Lehenswesen demonstrierte die Fahne Rechts- und Besitzansprüche und wurde schließlich im 16. Jahrhundert beim Militär Zeichen der Einheit der Truppe, Symbol für soldatische Ehre und Treue. In diesem Zusammenhang sei weiters erwähnt, dass Fahnen ab dem 10. Jahrhundert auch zu liturgischen Zwecken an Bedeutung gewannen.

 

Vorderseite des Fahnenblattes des Veteranenvereines Schärding

Vorderseite des Fahnenblattes des Veteranenvereines Schärding

 

Eine besondere Stellung erwarb "vexillum S. Petri", eine Fahne, welche der Papst verlieh, wenn ein Kriegszug zum "HeiligenKrieg" wurde. Seit dem 12. Jahrhundert gelten Fahnen auch als Attribute des Erzengels und Bannerträgers Michael.

Selbstverständlich fand die mystische Bedeutung, welche die Menschen im Laufe der Jahrhunderte der Fahne beimaßen, ihren Niederschlag in vielen Riten und Festen, die heute noch praktiziert werden und die uns allen geläufig sind.

 

Vorderseite des Fahnenblattes der Hessenfahne
Vorderseite des Fahnenblattes der Hessenfahne

 

Ihrer Bedeutung als Hoheitszeichen wegen wird die Fahne im militärischen Bereich bis in unsere Zeit herauf von Offizieren, den sog. Fahnenoffizieren (Fahnenjunker, Fähnriche) eskortiert, die Soldaten werden nach wie vor auf die Fahne vereidigt, die Fahne wird geweiht und die Flaggenparade ist immer noch ein Herzstück militärischer Festakte.

Als Sieges- und Herrschaftszeichen musste die Fahne immer "hochgehalten" werden. Ausnahmen davon gab es nur gegenüber Gott, den Toten und dem Regenten. Auch heute noch wird die Fahne bei der Wandlung, beim Vorbeitragen der Monstranz und über dem offenen Grab gesenkt.

Die Halbmastbeflaggung ist uns ebenfalls als Zeichen der Trauer bis heute erhalten geblieben. Selbstverständlich hat die Fahne aber nicht nur eine abendländische Geschichte - erinnert sei in diesem Zusammenhang an die grüne Fahne des Propheten Mohammed oder die Gebetsfahnen der Tibeter.

Angesichts der enormen - hier nur kurz gestreiften - kulturhistorischen Bedeutung der Fahne, die ihren Ursprung im militärischen Bereich hat, ist der Stadtverband Schärding besonders stolz darauf, dass heute die Fahnen des "Militär- Veteranen- und Reservistenvereines 1864" und des "Veteranenvereines 1865" vollkommen restauriert als Dauerleihgaben in den Räumen des Schärdinger Stadtmuseums/Heimathauses ausgestellt und damit der Öffentlichkeit zugänglich sind.

Möge dieser kurze kulturgeschichtlicher Streifzug die Beantwortung der Frage erleichtern, warum der Stadtverband Schärding es im eingangs erwähnten Jahr 1999 als seine Pflicht ansah, diese ihm anvertrauten Fahnen vor dem Untergang zu retten.

 

Urkunde anlässlich der Übergabe der Feldzeichen an das Heimathaus der Stadtgemeinde Schärding (heute Stadtmuseum) im August 2000.

Urkunde anlässlich der Übergabe der Feldzeichen an das Heimathaus der Stadtgemeinde Schärding (heute Stadtmuseum) im August 2000.

 

Quelle: Festschrift 140 Jahre OÖ. Kameradschaftsbund Stadtverband Schärding

Autor: RA Mag. Christof Danner, Olt d. Res.